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Verleihung des Ernst Meister Preises für Lyrik an Anja Utler und Buchvorstellung Ernst Meister und Horst Becking: „Verbündet“



Am 10. September 2021 um 19 Uhr wurde der Hagener Lyrikpreis an die 1973 in der Oberpfalz geborene Dichterin Anja Utler verliehen. Im Rahmen des Festaktes mit einer Ansprache von Oberbürgermeister Erik O. Schulz und einer Laudatio von Dr. Cornelia Epping-Jäger (Ruhr-Universität Bochum) trug Anja Utler eigene Werke vor. Um 17 Uhr, noch vor der Preisverleihung, stellte die Neue Ernst Meister Gesellschaft das Buch „Verbündet“ vor. Der Hagener Künstler Horst Becking war anwesend und berichtete im Gespräch mit Reinhard Gundlach (Neue Ernst Meister Gesellschaft) und Dr. Tayfun Belgin (Direktor des Osthaus Museums) von seinen Begegnungen mit dem großen Hagener Lyriker Ernst Meister. Ein musikalisches Programm am Flügel rundete die Veranstaltungen ab.


Anja Utler beim Vortragen ihrer Texte zu erleben, eröffnet einen neuen Blick auf Lyrik. Sie lebt nach Jahren in Wien, Regensburg und Prag derzeit in Leipzig und ist tätig als Dichterin, Übersetzerin und Essayistin. Anja Utlers Gedichte gibt es gesprochen, geschrieben und performt. Hören, Sprechen und Lesen sind in ihrer Poesie Kräfte, die Denken und Fühlen formen und so in die Welt eingreifen.


Anja Utler ist ausgebildet in den Fächern Slavistik, Anglistik und Sprecherziehung und wurde 2003 mit einer Arbeit zu Geschlechterfragen in der russischen Lyrik der Moderne promoviert. 2016 erschien ihre Arbeit über das Hören von Lyrik: "manchmal sehr mitreißend". Über die poetische Erfahrung gesprochener Gedichte (transcript: Bielefeld). Sie war u.a. Writer-in-Residence am Oberlin College, Ohio (2015), Gastprofessorin für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien (2017/18), Thomas-Kling-Poetikdozentin an der Universität Bonn (2018).


Für die "innovative Darstellung aktueller Themen wie Ökologie in der Poesie" und den "reflektierenden wie sinnlichen Umgang mit dem Verhältnis von Sprache und Körper" wurde Anja Utler 2014 der Basler Lyrikpreis verliehen. Ihre Gedichte aus dem Band "münden – entzüngeln" verfolgen die sprachlichen Abdrücke unserer physischen Abhängigkeit von ökologischen Beziehungen; sie wurden 2003 mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschien ihr poetischer Monolog "kommen sehen. Lobgesang" (Edition Korrespondenzen, Wien 2020), der sich der poetischen Verarbeitung einer künftigen klimatischen Katastrophe widmet und der Frage, wie Erfahrung zwischen den Generationen weitergegeben werden kann. 2020 bekam sie als erste Preisträgerin den Lyrikpreis der Südpfalz zugesprochen.


Nun ist sie auch von der Stadt Hagen ausgezeichnet worden. Der Ernst Meister-Preis wurde 1981 zur Erinnerung an den Hagener Lyriker und Schriftsteller Ernst Meister gestiftet und wurde bisher in unregelmäßigen Abständen vergeben. Ab 2021 wird der Preis alle drei Jahre von der Neuen Ernst Meister Gesellschaft für die Stadt Hagen ausgerichtet. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis zeichnet das Werk von Autorinnen und Autoren aus, welche die Verantwortung für Sprache und Poesie auf besondere Weise zum Ausdruck bringen. Das Preisgeld verdankt sich der großzügigen Unterstützung der Sparda-Bank West.


Die Laudatorin Dr. Cornelia Epping-Jäger gehörte der Fachjury an, an der sich ebenfalls Prof. Dr. Michael Niehaus (FernUniversität Hagen), Prof. Dr. Armin Schäfer (Ruhr-Universität Bochum), Frank Schablewski, Dichter und Autor aus Aachen und Thomas Bleicher (M.A., Sprach- und Literaturwissenschaftler, Journalist) beteiligten. Dr. Cornelia Epping-Jäger studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und lehrt in Bochum an der Fakultät für Philologie. Ihre Begeisterung für das Werk und die performative Präsenz Anja Utlers wird sie in ihrer Laudatio auf die Preisträgerin mit dem Publikum teilen.


Noch vor der Preisverleihung, um 17 Uhr, wurde ein neues Druckwerk vorgestellt, das die Texte Ernst Meisters mit den Bildwelten Horst Beckings verbindet. Der beliebte Hagener Künstler schilderte im Gespräch mit Dr. Tayfun Belgin und Reinhard Gundlach seine Eindrücke von Ernst Meister. Der Bildband mit 13 Gouachen von Horst Becking und 13 Gedichten von Ernst Meister ist an der Kasse des Museums für 15 Euro erhältlich und wurde im Anschluss von Horst Becking signiert. Der Pianist Berthold Matschat begleitet die Veranstaltungen mit eigenen Kompositionen am Flügel.





Verleihung des Ernst Meister-Preises für Lyrik 2021 an Anja Utler


19. März 2021 – Der Ernst Meister-Preis wurde 1981 zur Erinnerung an den Hagener Lyriker und Schriftsteller Ernst Meister gestiftet und wurde bisher in unregelmäßigen Abständen vergeben. Ab 2021 wird der Preis alle drei Jahre von der Neuen Ernst Meister-Gesellschaft für die Stadt Hagen ausgerichtet.


Ernst Meister, der 1911 im heute zu Hagen gehörenden Stadtteil Haspe geboren wurde, und 1979 in Hagen starb, blieb der westfälischen Großstadt zeit seines Lebens verbunden. Hier lebte und arbeitete er zurückgezogen. Selbst mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekoriert, gilt er als einer der bedeutendsten deutschen Dichter des 20. Jahrhunderts.


Der mit 5.000 Euro dotierte Preis zeichnet das Werk von Autorinnen und Autoren aus, welche die Verantwortung für Sprache und Poesie auf besondere Weise zum Ausdruck bringen.


Der für die Preisverleihung zuständigen Jury gehörten an:

· Prof. Dr. Michael Niehaus, FernUniversität in Hagen

· Prof. Dr. Armin Schäfer, Ruhr-Universität Bochum

· Dr. Cornelia Epping-Jäger, Ruhr-Universität Bochum

· Frank Schablewski, Dichter und Autor aus Aachen

· Thomas Bleicher, M.A., Sprach- und Literaturwissenschaftler, Journalist.


Zur Begründung führt die Jury aus: „Das literarische Werk Anja Utlers, der 1973 im bayerischen Schwandorf geborenen und heute in Leipzig lebenden, vielfach ausgezeichneten Dichterin, Essayistin und Übersetzerin, ist durch eine große, von der theoretischen zur ästhetischen und poetischen Produktivität reichenden Spannbreite charakterisiert. Bereits ihr Lyrikband „münden – entzüngeln“ (2004) zeigt, dass Poesie für Anja Utler immer angesiedelt ist zwischen Schrift und Klang. Lyrik wird als Klangereignis erfahrbar gemacht, als eine Kraft, die das Denken und Fühlen von Autorin und Publikum poetisch ineinander verwebt. So wirkt sie in die Welt hinein. Nicht zuletzt deswegen liegen Ihre Gedichte nicht nur gedruckt, sondern auch als kunstvolle Audiotakes vor, nicht zuletzt deswegen liest sie ihre Dichtung nicht vor, sondern führt sie auf.


Die Lyrik Anja Utlers steht zudem für eine ästhetisch gelungene Vermittlung von Poesie und Politik: „jana, vermacht“ (2009) etwa thematisiert das Schweigen der Nachkriegsgeneration indem das Verschwiegene im Dialog zwischen Großmutter und Enkelin im Verschluckten und Fragmentarischen des Sprechens sinnfällig gemacht wird; „kommen sehen“ (2020) verlagert die Frage der Überlieferung zwischen den Generationen in die lückendurchzogene, jede durchgängige Narration ad absurdum führende lyrische Analyse einer Welt nach der Klimakatastrophe.


Anja Utler, deren Arbeiten bislang in zwanzig Sprachen übersetzt wurden, ist zudem als brillante Übersetzerin (Anne Carson, Mila Haugová) Essayistin („Von den Knochen der Sanftheit. Behauptungen, Reden, Quergänge“, 2016) Prosaschreiberin („ausgeübt. Eine Kurskorrektur“, 2011) und wissenschaftliche Autorin („‘manchmal sehr mitreißend‘. Über die poetische Erfahrung gesprochener Gedichte“, 2016) hervorgetreten.“